Ausgezeichnet mit dem Deutschen Kulturförderpreis 2017
Der Jugendchor der Tübinger Musikschule mit den Preisträger:innen des diesjährigen Schreibwettbewerbs 2021
16- 20 Jahre
1. Preis – Emily Sara Adams
2. Preis – Jasmina Czarnowski
3. Preis – Frida Siller Deselaers
Platz 1: Bundesweites Tanzverbot
Laudatio: Florian Rogge
Ich bin Emily Sara Adams, geboren am 20.08.2003 wuchs ich in Bietigheim-Bissingen auf.
2021 legte ich mein Abitur am Ev. Lichtenstern-Gymnasium Sachsenheim ab.
Dort wurde mir der Scheffel-Preis für besondere Leistungen im Fach Deutsch überreicht.
Mein Schaffen fand u.a. durch eine Einladung zum Treffen junger Autor*innen 2020, einen Landespreis des Landeswettbewerbs für Deutsche Sprache und Literatur Baden-Württemberg 2020 sowie einen Bundespreis des Europäischen Wettbewerbs 2020 Gehör.
Ich bin Mitglied der Deutschen Schillergesellschaft.
Neben meinem Interesse für Literatur zeichne ich, treibe viel Sport, spiele Oboe und beschäftige mich mit dem Thema Nachhaltigkeit.
Seit September 2021 absolviere ich einen einjährigen Internationalen Jugendfreiwilligendienst (IJFD) bei den Handwerkern Compagnons Bâtisseurs in Frankreich. Danach strebe ich ein Studium der internationalen Beziehungen an.
Vom Wettbewerb habe ich über die Internetseite https://vds-ev.de/allgemein/ausschreibungen-fuer-den-literarischen-nachwuchs/ erfahren.
Mein Text fängt Eindrücke aus der Hochzeit der Pandemie ein und zeigt auf, wie kleine Partikel unser ganzes Leben infiltrierten.
Ein Ausschnitt aus der Geschichte “Bundesweites Tanzverbot”:
Ich spüre jeden Morgen Dreck unter meinen Nägeln, ohne dass ich wüsste, woher.
Die Zahnarzthelferin sagte mir, ich hätte freiliegende Zahnhälse. Knirschen Sie? Manche pressen auch, das macht dann keine Geräusche. Die ganze Nacht, das geht dann so – sie drückte die Handballen aneinander und rieb. Sehen Sie, das macht, dass das Zahnfleisch zurückgeht.
Ich presse nachts mit 400 kg gegen die Sehnsucht.
Nehmen Sie eine weichere Zahnbürste. Die Technik stimmt, Ihre Zähne sind sauber. Sie brauchen gar nicht so zu drücken.
Das kommt, weil ich niemanden sehen kann. Mir fehlen die Schmerzen.
Platz 2: Wetterumschwung:
Laudatio: Clara Breidenstein
Ich heiße Jasmina Czarnowski, bin 20 Jahre alt und studiere Germanistik.
Durch meine Liebe zu Büchern näherte ich mich dem Schreiben an und schrieb mit 14 meine ersten Fanfictions. Später kam eine neue Liebe dazu: Essays. Das war meiner Deutschlehrerin zu verdanken, die uns immer predigte, dass man Schreiben nur durch Schreiben lerne. Außerdem begeistere ich mich für Musik und Serien.
Ich könnte stundenlang darüber reden und bin froh, dass meine Freunde das mitmachen. Diese haben mich auch dazu ermutigt hier mitzumachen, als ich im Internet, davon erfahren hatte. Am liebsten lese ich LGBTQ+ Bücher, diese haben immer noch etwas Besonderes und sind nicht von Normen durchtränkt. Deshalb lag es nahe, dass ich auch in diesem Genre etwas schreibe. Mich macht es sehr traurig, wenn ich daran denke, dass es ähnliche Schicksale, wie das meines Protagonisten gab. Umso schöner ist es zu sehen, dass es inzwischen viele Geschichten gibt, die von der Norm abweichen und trotzdem erfolgreich sind. Aber auch heute erleben noch zu viele Diskriminierung, weil sie zur LGBTQ+ Community gehören. Ich habe die Hoffnung, dass mit jeder weiteren queeren Geschichte und mehr Toleranz auch das aufhört.
Ein Auszug aus der Geschichte „Wetterumschwung“
Als er jung war hatte er sich immer gewünscht nach Amerika zu reisen, er hatte es sich unglaublich aufregend vorgestellt. Von Erzählungen kannte er Burger, Diners und Rock´n´Roll. In ein Glas mit Schraubverschluss steckte er jeden Monat ein bisschen Geld, es war dasselbe, in dem er auch für sein Fahrrad gespart hatte. Leider kostete eine Reise nach Amerika viel mehr als das Fahrrad. Erst mit 40 hatte er sich diesen Wunsch erfüllen können.
Es stellte sich heraus, dass das Land der unbegrenzten Möglichkeiten nur ein Trug war. Der Vietnamkrieg raubte Amerika den Glanz, der Rassismus im Land vielen die Freiheit und die Ausbeutung die Möglichkeiten. Die schicken Fast Food-Läden von Bildern entpuppten sich als trostlos und fettig. Wieso hatte er dorthin gewollt? Es fühlte sich an, als hätte er seinen Traum verschwendet und nicht erfüllt.
Er dreht den Kopf. An der Wand hing ein Bild des Grand Canyon.
Die Schlucht hatte ihn und seinen besten Freund immer besonders fasziniert. In einer Nacht am See sinnierten sie über ein langes Seil, das bis zum anderen Ende gespannt wurde. Dann wollten sie mit ihren Fahrrädern darüberfahren. Der Gedanke brachte sie zum Lachen und verursachte sanfte Schwingungen im Wasser. Er spürte, wie der andere auf ihn zu schwamm, die Kluft zwischen ihnen überwand. „Was ist?“, fragte er ihn. „Geh nicht ohne mich dorthin, ja?“
„Würde ich nie.“, versprach er und blickte in das ihm so bekannte Gesicht.
Platz 3: Das Rapunzelchen
Laudatio: Fabienne Christen
Ich heiße Frida Siller Deselaers, bin 17 Jahre alt und im letzten Schuljahr. Meine Hobbies sind zum größten Teil kreativ orientiert. Ich liebe es zu zeichnen, Musik zu hören, zu schreiben und mich mit Filmen und Serien zu beschäftigen.
Seit 2019 lebe ich in Deutschland, davor in Indien, Lettland und wurde in Hong Kong geboren. Nach Tübingen zu ziehen war ein großer Sprung für mich und meine Familie. Früher lebten wir fast ausschließlich in Hauptstädten, hier ist es deutlich ruhiger und naturnaher. Auch auf eine öffentliche Schule zu gehen war eine neue Erfahrung. Ich habe aber schnell Freunde gefunden und mittlerweile fühlt sich Tübingen nach Zuhause an.
Die Geschichte wurde durch meine Erfahrung im Lockdown inspiriert. Das Thema „Sehnsucht“ hat mich an die Sehnsucht nach Normalität und einer besseren Zukunft erinnert. Diese Sehnsucht kann einen so fesseln und lähmen, dass man in Träumen und Vorstellungen gefangen wird und vergisst, wenn es Zeit ist, sie umzusetzen oder auszuleben und am „echten Leben“ der Gesellschaft teilzunehmen – zum Teil sicher auch aus Angst, dass die Realität den Träumen nicht entsprechen wird. Das alles ist im „Rapunzelchen“ dargestellt. Rapunzelchen ist der Kern der Hauptfigur und das, was übrig bleibt, wenn alle Erwartungen und Einflüsse der Gesellschaft wegfallen. Der „Prinz“ repräsentiert hingegen die Zukunft und die Realität, die einen am Ende einholt.
Ein Ausschnitt aus der Geschichte „Das Rapunzelchen“:
Das Rapunzelchen saß mit gekrümmten Rücken an seinem kleinen Tisch, in seinem kleinen Zimmer. Es war stockdunkel draußen, das einzige Licht kam von dem leuchtenden Bildschirm des Laptops, das ruhige Musik spielte. Das Rapunzelchen arbeitete an einem Projekt. Es lagen viele weitere Projekte zerstreut im Zimmer herum. Keines von ihnen fertiggestellt, aber das Rapunzelchen war sicher, dass es dieses mal fertig werden würde.
Das Rapunzelchen hatte bleiche Haut, tiefe Schatten unter den Augen und schon ganz lange Haare. Sie hingen schon weiter als die Schultern – so lang waren sie noch nie gewesen, aber es gefiel dem Rapunzelchen so. Es fühlte sich versteckt, in sich selber eingehüllt.
Heißes Sommerlicht fiel ins Zimmer, gespalten durch die kleinen Löcher in den Rolladen. Das Rapunzelchen ging hin und ließ die Rolladen hochfahren. Es öffnete das Fenster und lehnte sich über das niedrige Gitter.
Mit der Hand nach unten hängend, betrachtete es den grünen Rasen am Rand des Hochhauses. Es tat so als würde die Hand bis zum Gras hin reichen, als könnte es die sanfte Erde anfassen. Das Rapunzelchen fragte sich, wenn es sich fallen lassen würde, würde der weiche Boden es auffangen? Würden die frischen Grasblätter es umschließen und mit in die Erde nehmen, wo es kühl und frisch ist?
21 – 25 Jahre
1. Preis – Miriam Müller
2. Preis – Letitcia Ferreira Schmidt
3. Preis – 1. Marvin Hucke
3. Preis – 2. Jannik Köhler
Platz 1: Vom Sehnen und Suchen
Laudatio: Petra Wägenbaur
Ich bin im Jahr 1999 in Aalen zur Welt gekommen und habe meine Kindheit und Jugend über im Ostalbkreis gelebt. Dort besuchte ich Grundschule und Gymnasium und verbrachte meine Freizeit, ähnlich wie heute auch, mit der Ausübung kreativer Hobbies – dem Musizieren und Zeichnen, aber auch dem Lesen und kreativen Schreiben.
Nach dem Abitur zog es mich dann ins Ausland, wo ich knapp zwei Jahre lang lebte und arbeitete. Schließlich entschied ich mich zum Studium der Philosophie, Politik und Ökonomik an der Universität Witten/Herdecke, die ich jedoch nach vier Semestern für die WWU Münster und den Studiengang Psychologie wieder verlassen sollte. Parallel arbeitete ich im gesellschaftspolitischen und organisatorischen Bereich, und wurde Teilnehmerin der Autorenschule Schreibhain in Berlin.
Von der Ausschreibung zu diesem Wettbewerb erfuhr ich im Netz, und mir war sofort klar, dass ich an ihm teilnehmen und in meinem Text das Gefühl der Sehnsucht und ihrer Körperlichkeit verhandeln wollte. Dabei war es mir wichtig, dieselbe Emotion in zwei verschiedenen Stadien einer Beziehung zu beleuchten: Die sehnsuchtsvoll-erotische Anziehung am Anfang, und das vernichtende Voneinander-Fehlen des Endes.
Ein Auszug aus der Geschichte „Vom Sehnen und Suchen“:
Den ganzen Abend schon habe ich die Spannung in dir wahrnehmen können. In kleinen Funken sprüht sie aus deinen Augen, wenn du lachst, und macht irgendetwas in mir warm und hell. Sie liegt in deinen Geschichten, den Welten, die du vor meinem inneren Auge vorbeiziehen lässt, wenn du mir von dir erzählst.
Und in deiner Haltung. Wie du dich zu mir positionierst, ganz nah neben mir stehst – angespannt wie bereit zum Sprung – ohne mich dabei je zu berühren.
Dabei ist sie schon längst auf mich übergegangen.
Als ich jetzt neben dir stehe peitscht von irgendwo unterhalb der Bauchdecke ein Gefühl durch meinen Körper, das mich zerreißen möchte. Ich spüre die Anspannung bis in die warm pulsierenden Fingerspitzen meiner linken Hand, ich spüre sie sogar in den feinen Härchen auf meinem Handrücken, die sich nun langsam von der glatten Oberfläche meiner Haut lösen und in deine Richtung biegen.
Sie wollen nach dir greifen.
Ich schließe die Augen, atme durch halboffene Lippen die klare Herbstluft ein und schmecke deinen Geruch, der sich um meine Zunge legt. Die Härchen meiner linken Hand haben sich inzwischen mit deinen verschränkt, und ziehen dich näher zu mir. Als der Nagel deines Zeigefingers kurz meine Hand berührt, öffne ich meine Augen, drehe den Kopf und schaue dir ins Gesicht.
Platz 2: Moon and Sun
Laudatio: Florian Rogge
Wer bin ich? Ich bin die Autorin von MOON AND SUN. Ich bin Leticia Ferreira Schmidt, und würde mit Kurt T. am Kamin sitzen, wenn er leben würde. Ich bin Abiturientin und Finanzassistentin. Bei der „Spaßkasse“ habe ich gearbeitet und studiere nun in Tübingen Rhetorik.
Schreiben und Malen reizen mich. Es ist schön, meine Mitmenschen mit meiner Kunst zu begeistern. Auf den Schreibwettbewerb machte mich eine Freundin aufmerksam. Bei „Sehnsucht“ verband alle Gedanken die Distanz zu etwas!
Was sage ich zu meiner Geschichte? Sehnsucht kann eine Qual sein, wenn man an etwas festhält, das unveränderbar ist. Die Sehnsucht zu „Wie-es-vorher-war“ oder nach einer verstorbenen Person. Mein Begriff von Sehnsucht ist positiv gestaltet. Sie impliziert Hoffnung und nicht nur ein passives „Hinnehmen-müssen“, sondern ein aktives zur „Veränderung-beitragen-können“. Sehnsucht nach Nähe, Kommunikation und Interaktion. Sie beinhaltet einen Appell: Dinge zu SEHN, nach welchen man SÜCHTIG werden kann. Erkenne durch die Sehnsucht das Gute im Jetzt! Seid euch nah! Denkt in kleinen Schritten! Es gibt Zuversicht! Es wird nicht schlechter oder besser, nur anders. Sehnsucht ist Optimismus. Was meinst du?
Auszug aus der Geschichte „Moon and Sun“:
Ich möchte auf Jagd nach Sonnenstrahlen gehen. In mir ist der Sonneninstinkt geweckt. Überall wo ich bin, da ist die Sonne auch. Ihrer warmen Aura kann und will ich mich nicht entziehen. Ich fühle mich zu ihr hingezogen. Und obwohl ich diesen Bann spüre, stehe ich immer wieder losgelöst und frei hier. Ist sie mir verfallen oder ich ihr?
Du kannst es nicht sagen, denn du sitzt vor deinem Bildschirm und bist gefangen im WLAN. Niemand kann es vor seinem Bildschirm verharmlosen. Es ist ein Rätsel, das keiner lösen kann. Es ist eine Frage, die keiner beantworten kann. Google hat zig Vorschläge, aber keiner gibt dir etwas zurück. Bis ein kleines Hoffnungslicht das Dunkel erhellt und man sagt: „Bei moon and sun, lieber mal Maske an!“ Ansteckungsgefahr produziert, aber so Risiko reduziert.
Wir tun es! Wir sind wie Kleinkriminelle so maskiert und vermummt. Die Skepsis schlängelt sich an uns an den Kassen vorbei und hinterlässt einen misstrauischen Schleier. Einen ekligen Schleim der Verachtung. Doch wir sind Solidaritäter! Das ist mehr als gesund. Wir tun das für uns! Als Geste der Wertschätzung und Wert-Schützung. Wir nehmen darauf in Kauf, dass Mimik und allerhand nicht mehr erkannt wird. Unsere Worte werden undeutlicher und die Kommunikation wird vermehrt erschwert. Wir werden anonym. Wir haben keine Gesichter und keine Stimmen mehr, doch wir erheben uns trotzdem. Erst nur der große Zeh, der vorsichtig in das kalte Wasser gehalten wird. Dann mit bloßem Mutwillen und voller Wucht den ganzen Körper in das Getümmel vor der Haustür.
Wir brauchen und wollen das.
Platz 3/1: Die Entfaltung des Orpheus
Laudatio: Doro Kliche-Behnke
In Tübingen studiere ich Rhetorik und Internationale Literaturen; geboren wurde ich in Fulda. Ich reise gerne, begeistere mich unter anderem für Philosophie, Geschichte, Psychologie und aktuelles (gesellschaftspolitisches) Zeitgeschehen. Vom Wettbewerb der Buchhandlung Wekenmann habe ich durch den Geest-Verlag erfahren, mit welchem ich schon öfters kürzere und auch etwas längere Texte publiziert habe.
Der Prozess der Metamorphose ist schillerndes Zeugnis für den Einfallsreichtum der Natur. Da verwundert es nicht, dass sie als beliebtes Motiv immer wieder in der Literatur rezipiert wird. Man denke nur etwa an Ovid oder Kafka. Das Leben selbst erscheint dabei als eine stete Verwandlung … eine Verpuppung des Alten, aus dem wiederum etwas Neues erblüht. Hinter einem Meilenstein unserer Existenz lagern sich ein Dutzend weitere, und alles Lebendige trägt das Los, sich jeder dieser Herausforderungen neu anzupassen, wenn es denn bestehen will.
Während der mythologische Orpheus seine große Liebe unwiederbringlich verliert, verliert mein Orpheus etwas ganz Anderes: Als er der Spinne folgt, tritt an die Stelle seiner Sehnsucht nach Selbstentfaltung die Devotion unter eine scheinheilige Verheißung, die seine Individualität zersetzt. Die Raupe, die ein bunter Falter hätte sein sollen, degeneriert zum verkrüppelten Insekt. Was bleibt, ist ein entkernter Körper – die leere Hülle eines Träumenden, in welcher der Wind einer ungelebten Zukunft melancholisch jammert.
Ein Ausschnitt aus der Geschichte „Die Entfaltung des Orpheus“:
Und nun war der Tag endlich gekommen, da er jenes gottvergessene Fleckchen Erde, das er zuweilen Heimat nannte, hinter sich lassen würde, um den Horizont anzusteuern und den Küsten seiner Träume nachzuspüren. Genau zu diesem Zwecke hatte er sein selbstgebautes Segelboot (ein prächtiges Schiffchen aus allerfeinstem Zedernholz) – doch als er es gerade ins kühle Nass der Lagune schieben wollte, fand er sich plötzlich in der Gegenwart eines unerwarteten Besuchs.
Es war die alte Spinne, die mit weit angehobenen Augenbrauen den allzu kümmerlichen Kahn des angehenden Seefahrers beäugte. Und während Orpheus sich in Gedanken mit seiner Arche schon weit draußen auf den höchsten Wellen sah – er spürte schon förmlich, wie ihm dort auf den wässrigen Dünen der Wind salzig ins Gesicht pustete und ihm das Haar zerzauste – kam sie an ihn heran, legte ihre seidengleiche Hand auf seine Schulter, sah zuerst auf das sich silbrig wogende Nass und dann hinauf zur wabernden Sonne, unter der einige Möwen nicht hastig dahinglitten.
»Ach, das Meer ist doch wirklich tief und finster«, sagte die Spinne schließlich, »Ach, man tut nicht gut daran, es zu bereisen, solange man nicht weiß, wie es zu bereisen, denn am sinnvollsten ist.«
Platz 3/2: Demnächst im Kino
Laudatio: Fabienne Christen
Ich bin in Eisenach (Thüringen) zur Schule gegangen. Dort begann auch meine „Schreiberei“, als ich jährlich am Schreibwettbewerb der Schule teilnahm. Erfolge haben mich daraufhin wiederholt motiviert, an neuen Texten zu arbeiten. So konnte ich darin viele meiner Interessen aufgreifen. Sei es Musik, eben Film, Science-Fiction und Sprache; immer mit dem Versuch der Kombination mit aktuellen, politischen Fragestellungen.
Den Wettbewerben folgten Workshops und Coachings. Auch deshalb suchte ich bald nach weiteren. Ich fand eine Website, die sämtliche deutsche Ausschreibungen verlinkt.
Auch diesen Wettbewerb.
Nachdem ich schon letztes Jahr teilnehmen wollte, aber leider noch nicht zugelassen war, freute ich mich über das diesjährige Thema. Inzwischen studiere ich nämlich Sprach- und Medienwissenschaft in Tübingen und verband damit direkt die Hoffnung auf normalen Kinobetrieb.
Kino hat viel mit Seh(n)en und Vorfreude zu tun. Ein Blick hinein offenbart die Sehnsucht nach originaler Erfahrung, Realitätsflucht, egal wie furchtbar diese sein mag. Und mindestens die Perspektiven des Kinos, wie es war, ist und werden soll, spitzen sich in dem einen ikonischen Werbespruch zu: Demnächst im Kino.
Ein Ausschnitt aus der Geschichte „Demnächst im Kino“:
Selig lächelnd stand Jelena vor dem Tresen und blickte sich um. Jedes Mal tat sie das, wenn sie in Herr Paslings Lichtspielhaus kam. Schon seit fast zehn Jahren, seit sie sieben Jahre alt war, kam sie jede Woche aufs Neue zu ihm, um sich einen Film anzusehen. Immer öfter schaute sie auch einen der wenigen Klassiker, die sie noch nicht kannte. – Jelena war Herrn Paslings beste und schärfste Kritikerin und so wählte er mit ihrer Hilfe immer wieder ganz besondere Perlen aus, für die auch die anderen Bewohner der Stadt den alten Herrn und sein uriges Kino schätzten.
Rechts neben dem Tresen befand sich die ratternde Popcornmaschine, die wie ein UFO aus „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ aussah. Da die Beleuchtung im ganzen Haus dunkel und indirekt gehalten war, kamen die Lichter der Maschine wunderbar zur Geltung. Herr Pasling war stolz auf dieses Sammlerstück, das er für viel Geld auf einer Messe in Amerika erstanden hatte. Jelena strich kurz über das Spielzeug, grinste und warf dann einen Blick links am Tresen vorbei.
Dort befand sich eine kleine Treppe. Mit einer Kette wurde dem Publikum der Zutritt verwehrt. Nur Herr Pasling durfte da hoch. Dies war der Weg zum Herzstück des Kinos, zum Kinematographen, über den jede einzelne Filmrolle lief.